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Essen, 10. August 2012

Medienmitteilung von BioSkop

Transplantationsmedizin und Kontrolle

BioSkop fordert glaubwürdige Transparenz von Bundesärztekammer und Organspende-Stiftung

Ein »Skandal« stört offensichtlich die gewohnte Routine – plötzlich scheint sogar möglich, was BioSkop seit Jahren beharrlich öffentlich anmahnt: mehr Transparenz und effizientere Kontrolle in der Transplantationsmedizin! Angekündigt haben dies am 9. August jedenfalls Bundesärztekammer (BÄK), Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und GKV-Spitzenverband. »Den Worten der gestrigen Krisen-Pressekonferenz müssen jetzt schnell glaubwürdige Taten folgen«, sagt Erika Feyerabend, Geschäftsführerin des Vereins BioSkop, der seit Jahren Transplantationsmedizin und Biopolitik aufmerksam und kritisch beobachtet. Und: »Gefordert ist jetzt auch die Deutsche Stiftung Organtransplantation.«

Die Transparenz »muss durch Veröffentlichung von Prüfberichten verbessert« werden, verheißt die gemeinsame Pressemitteilung von BÄK, DKG und GKV-Spitzenverband. »Diese Ankündigung klingt gut, tatsächlich ist sie aber recht vage formuliert«, sagt Feyerabend – und fordert rückhaltlose Aufklärung. »Die Bundesärztekammer muss jetzt sämtliche Berichte der zuständigen Prüfungskommission ins Internet stellen. Nur so kann sich die Öffentlichkeit ein Bild darüber machen, was den zuständigen Kontrolleuren aufgefallen ist, was in Transplantationszentren seit dem Jahr 2000 womöglich rechtswidrig gelaufen ist und wie schnell und nachhaltig Kommission, Transplantationszentren, Staatsanwaltschaften und Behörden darauf reagiert haben.« Die BÄK selbst schrieb ziemlich nebulös von »119 Vorgängen klärungsbedürftiger Auffälligkeiten«, die der Prüfkommission seit dem Jahr 2000 bekannt geworden seien.

Der jetzt – bemerkenswerterweise kurz nach Verabschiedung des reformierten Transplantationsgesetzes – skandalisierte Regensburger Fall dürfte in Fachkreisen seit sechs Jahren ein offenes Geheimnis sein, und viele der nun als überraschend und nicht vorstellbar dargestellten Strukturdefizite benennt schon der IGES-Bericht vom Juni 2009, den das Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegeben hatte.

»Menschen, die den Mut haben, Unregelmäßigkeiten öffentlich zu machen, müssen darauf vertrauen können, dass ihre Aufrichtigkeit nicht mit Nachteilen quittiert wird.«

Wichtig ist nun auch, dass die interessierte Öffentlichkeit erfährt, wie die Kommission, die ja nach eigenen Angaben bisher lediglich ein bis fünf Prozent der Organvermittlungsentscheidungen unsystematisch überprüft haben will, überhaupt von Unregelmäßigkeiten erfahren hat. Und, noch wichtiger: Was passierte anschließend mit Informanten? Wurden sie ernst genommen? Wurden diese Menschen eigentlich für ihren Mut gelobt – oder gar gemobbt, abgemahnt, bestraft?

»Angesichts allenfalls marginaler Kontrollen durch die zuständigen Gremien der Selbstverwaltung sind Zivilcourage und Whistleblowing von Insidern unabdingbar. Jedenfalls, wenn Rechtsverstöße wirklich aufgedeckt werden sollen«, bekräftigt Feyerabend. »Medien können nur berichten, wenn sie mutige Informanten haben, das wissen wir auch aus einschlägiger Recherche-Arbeit für unsere Zeitschrift BIOSKOP «. Die Ausgangslage gilt, in besonderem Maße, für diesen Bereich der Medizin. »Die Transplantationsbranche und ihre Arbeitsplätze sind sehr überschaubar, es kennt und trifft fast jeder jeden«, weiß Feyerabend. »Menschen, die hier den Mut haben, Unregelmäßigkeiten öffentlich zu machen, müssen darauf vertrauen können, dass ihre Aufrichtigkeit nicht mit Nachteilen quittiert wird. Dies müssen der Gesetzgeber, aber auch die Standesorganisationen und Fachgesellschaften nachvollziehbar klar stellen. Menschen mit Gewissen müssen geschützt werden.«

»Auch die Sonderuntersuchung der DSO gehört jetzt vollständig auf den Tisch.«

Transparenz fehlt bisher aber nicht nur in der – bei der BÄK angesiedelten – Prüfungskommission. Einiges nachzuholen hat auch die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), deren Vorstände ja im Herbst 2011 in die öffentliche Kritik geraten waren – nach anonymen Vorwürfen von Mitarbeitern, die in die Medien durchgesickert waren. Das Krisenmanagement damals: Die DSO veranlasste eine forensische Sonderuntersuchung durch unabhängige Wirtschaftsprüfer. Was diese bis März 2012 rausgefunden und aufgeschrieben hatten, darf die Öffentlichkeit noch immer nicht im Detail und schon gar nicht im Original erfahren – also fordert Feyerabend: »Auch diese Untersuchung gehört jetzt auf den Tisch.«

Der gesamte Untersuchungsbericht, inklusive aller Anlagen wohl mehrere Aktenordner dick, soll seit Ende April 2012 im Sekretariat des Gesundheitsausschusses in Berlin zur Einsichtnahme ausliegen – allerdings mit merkwürdigen Einschränkungen. Denn zumindest die Anlagen dieses Gutachtens will die DSO bisher offenbar als vertrauliche Verschlusssache behandelt sehen, vorbehalten nur wenigen Abgeordneten – und obendrein wird, laut Darstellung aus Politikerkreisen, auch nur eine persönliche Einsichtnahme gewährt. Parlamentarier, die es wirklich wissen wollten bzw. wollen, müssen mithin reichlich Zeit und vor allem ein sehr gutes, juristisch geschultes Gedächtnis haben: Kopien von Gutachten und Anlagen sollen die Volksvertreter nämlich auf gar keinen Fall anfertigen dürfen.

Derartige Vorgaben findet Feyerabend, schon angesichts des heiklen Stoffes, einfach nur absurd: »Wenn die DSO glaubwürdig sein will, sollte sie die von ihr veranlasste forensische Untersuchung jetzt ohne weiteren Verzug auf ihre Website stellen. Und zwar vollständig, mit allen Anlagen und Dokumenten.«

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++ Hintergrundinformationen zur DSO

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