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»Ein Modell für Deutschland?«

Am 26. März 2008 suchten die Bayer AG und die Kölner Universitätsklinik gezielt öffentliche Beachtung. Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz stellten sie ihre »präferierte Partnerschaft« vor. Joachim Klosterkötter, damals Dekan der medizinischen Unifakultät, nannte zwar keine konkreten Forschungsprojekte. Aber er stellte klinische Studien zur Entwicklung »innovativer Arzneimittel-Therapien« in Aussicht, unter anderem gegen Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen und bakterielle Infektionen. Für den Bayer-Vorstand kündigte Wolfgang Plischke an, der Pharmakonzern wolle jährlich einen »soliden sechsstelligen Betrag« in die Zusammenarbeit einbringen. Ziel von Uni und Unternehmen sei eine »gemeinsame strategische Positionierung« im internationalen Wettbewerb, fügte Medizinprofessor Klosterkötter hinzu.

Die PR-Aussagen machten die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) neugierig, und so bemüht sich ihr Mitarbeiter Philipp Mimkes seit Herbst 2008 intensiv, Einsicht in den Kooperationsvertrag zu bekommen. Zahlreiche Organisationen unterstützen dieses Anliegen, darunter die BUKO-Pharmakampagne, die Ärzteorganisation IPPNW, Transparency International und auch kritische Medizinstudierende der Kölner Uni.

BIOSKOP hatte die denkwürdige Partnerschaft erstmals im Juni 2008 (Heft Nr. 42) problematisiert und kritisch gefragt: »ein Modell für Deutschland?«




KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Gericht billigt Geheimhaltung

  • Kooperationsvertrag zwischen Uni Köln und Pharmakonzern Bayer muss nicht offengelegt werden – vorerst jedenfalls

aus: BIOSKOP Nr. 60, Dezember 2012, Seite 11

So viel ist bekannt: Die Kölner Universitätsklinik und die Bayer Healthcare AG kooperieren bei der Entwicklung und klinischen Testung neuer Substanzen. Zu welchen Zwecken und Bedingungen sie seit dem Frühjahr 2008 gemeinsame Sache machen, dürfen die ungleichen Partner weiter geheim halten. Denn das Verwaltungsgericht Köln hat eine Klage auf Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag abgewiesen – obwohl der nordrhein-westfälische Datenschutzbeauftragte zuvor den Informationsanspruch bejaht hatte.

Sein Urteil vom 6. Dezember (Az.: 13 K 2679/11) begründete der Vorsitzende Richter Hans-Martin Niemeier damit, dass der Rahmenvertrag zwischen Universität und Pharmakonzern »dem Bereich der Forschung zuzuordnen« sei. Und da das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Landes NRW kein Informationsrecht in Bezug auf Forschung und Lehre vorsehe, müsse die 28-seitige Vereinbarung auch nicht offen gelegt werden.

»Das Ergebnis der heutigen Verhandlung stand offenkundig schon vorher fest«, meint Philipp Mimkes von der Coordination gegen Bayer Gefahren (CBG). Er hatte die Klage bereits im Mai 2011 mit Unterstützung zahlreicher Organisationen eingereicht (Siehe BIOSKOP Nr. 51), nachdem die Rechtsabteilung der Uni seit Ende 2008 die begehrte Einsichtnahme wiederholt abgelehnt hatte. Mimkes findet es merkwürdig, dass die Kölner Verwaltungsrichter, die sich ja reichlich Zeit bis zum Urteilsspruch gelassen haben, am Ende sehr formal entschieden – ohne »den in Rede stehenden Vertrag« überhaupt durchgelesen zu haben.

  • Datenschützer hat reingeschaut

Eben diese Mühe hatte sich die Landesdatenschutzbehörde bereits im Frühjahr 2009 auf Antrag von Mimkes gemacht. Ihre Einschätzung übermittelte sie im Mai 2009: »Wir teilen Ihnen mit, dass nach Prüfung des Vertragstextes der Auffassung der Universität, der Kooperationsvertrag falle in den vom IFG NRW ausgenommenen Bereich von Forschung und Lehre, nicht gefolgt wird.« Die Rahmenvereinbarung enthalte im wesentlichen »organisatorische Regelungen« für zukünftige, aber noch nicht festgelegte Projekte, der Bereich der Forschung im engeren Sinne sei nicht betroffen. Also bestehe sehr wohl ein Anspruch auf Offenlegung gegenüber der Universität Köln. Auch die Argumentation von Bayer Healthcare, wonach die Rahmenvereinbarung vollständig als Geschäftsgeheimnis anzusehen sei, fanden die Datenschützer nach Durchsicht des begehrten Vertrages nicht stichhaltig.

Auf Basis dieser unabhängigen Einschätzung will Mimkes sich durch das Urteil in erster Instanz nicht einfach abspeisen lassen und Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster einlegen. »Die Öffentlichkeit«, erklärt Mimkes seine Motivation, „muss darüber informiert sein, wie viele Rechte eine aus Steuergeldern finanzierte Einrichtung wie die Universität Köln an ein privatwirtschaftliches Unternehmen abtritt.« Wichtige Fragen könnten wohl nur mit Kenntnis der Vertragsinhalte geklärt und transparent gemacht werden, glaubt Mimkes. Zum Beispiel: Wer legt die Forschungsinhalte fest? Wer profitiert von Patenten, die im Rahmen der Kooperation entstehen könnten? Sollen womöglich Studienergebnisse, die Bayer nicht gefallen, womöglich als Betriebsgeheimnisse unter Verschluss gehalten werden? Die Anwälte der Kölner Uni, deren Argumentation das Kölner Gericht offensichtlich gefolgt ist, hatten tatsächlich erklärt, dass die Rahmenvereinbarung »umfangreiche Regelungen« über Vergütungen, finanzielle Beteiligungen und die Nutzung von Forschungsergebnissen enthalte.

  • Grundsätzliche Bedeutung

Auf den weiteren Verlauf dieser juristischen Auseinandersetzung sind sicher nicht nur die Beteiligten gespannt, der Kölner Fall ist von grundsätzlicher Bedeutung. Denn Public Private Partnerships (PPP), also gemeinsame Projekte von Universitäten und privaten Firmen, gibt es überall in der Republik, und sie werden auch von PolitkerInnen empfohlen; alltäglich sind zudem Sponsoringvereinbarungen, um die sich viele Universitätsleitungen angesichts knapper Finanzen aktiv bemühen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Kooperationen und Geldflüsse mittelfristig durchschaubarer gemacht werden, dürfte steigen, wenn sich mehr Menschen trauen, mit langem Atem kritische Nachfragen zu stellen. Richterliche Urteile könnten solch bürgerschaftliches Engagement bestenfalls befördern – öffentlich Fragen zu stellen, werden sie in einer Demokratie nicht untersagen können.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2012
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