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Die elektronische Gesundheits-Chipkarte (eGK)

wird seit Herbst 2011 schrittweise eingeführt – mit großem Aufwand und unter Zwang. Dagegen mobilisiert u.a. das Komitee für Grundrechte und Demokratie, vor kurzem erschien das von ihm herausgegebene Buch Digitalisierte Patienten – Verkaufte Krankheiten, darunter Beiträge des langjährigen Datenschützers Wolfgang Linder und des BIOSKOP -Redakteurs Klaus-Peter Görlitzer.


Datenkommunikation in der Arztpraxis

Technische und rechtliche Hinweise von der KBV

»Mehrwert«

»Um von dem Mehrwert der Karte profitieren zu können und nicht ausschließlich die höheren Stückkosten der eGK zu tragen, sind Online-Anwendungen zwingend notwendig.«

aus einer Erklärung des Verwaltungsrates des GKV-Spitzenverbandes

Lesenswert

Zwei informative Broschüren zur elektronischen Gesundheitskarte (eGK) hat das Forum InformatikerInnen für Frieden und Gesellschaftliche Verantwortung (FIFF) herausgegeben.

Bereits im Dezember 2005 erschien die Publikation Alles auf eine Karte?

2010 publizierte das FIFF dann die Broschüre Die neue elektronische Gesundheitskarte – The same procedure as every year?

Im Bundestag

gibt es nur wenige Abgeordnete, die sich trauen, die elektronische Gesundheitskarte (eGK) öffentlich zu kritisieren. Mit Ausdauer und Sachkenntnis macht das vor allem die Abgeordnete Kathrin Vogler von der Linken-Fraktion – zum Beispiel auf dieser Internet-Seite




KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Verwirrspiel mit Chipkarten

  • Krankenkassen und Kassenärzte streiten darüber, ob die Krankenversichertenkarte auch 2014 noch gilt

aus: BIOSKOP Nr. 64, Dezember 2013, Seite 12

Mit 8-jähriger Verspätung soll es nun so weit kommen: Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) löst am 1. Januar 2014 endgültig die Krankenversichertenkarte (KVK) ab. So kommunizieren es jedenfalls die Krankenkassen. Haben sie Recht?

Das Schreiben der Krankenkasse klingt ziemlich alarmierend: »Ab Januar 2014 gilt Ihre jetzige Versichertenkarte nicht mehr! Wenn Sie Ihr Foto für die neue Gesundheitskarte nicht bis zum 22.11.2013 bei uns einreichen, haben Sie Ihre so genannte Mitwirkungspflicht verletzt«, erläuterte die BKK Pfalz ihrem Mitglied – und fügte hinzu: »Alle Leistungen (zum Beispiel ärztliche Behandlungen, Krankenhausaufenthalte und Zahnarzttermine) müssen Sie dann ab Januar 2014 wie ein Privatpatient bar bezahlen – wir dürfen Ihnen dafür nichts zurückerstatten.«

Warnungen dieser Art sind kein Einzelfall, auch andere Krankenkassen haben in diesem Herbst einen Teil ihrer Mitglieder per Post oder auch mit Telefonanrufen ultimativ aufgefordert, sich doch bitte endlich eine eGK ausstellen zu lassen – so wie das angeblich 95 Prozent der gesetzlich Versicherten mittlerweile getan haben sollen.

Wer eine Krankenversichertenkarte (KVK) besitzt, die laut Aufdruck auch 2014 oder länger gültig ist, muss sich aber nicht wirklich beeilen. Als Termin für die technische Systemumstellung auf das eGK-Format wurde der 1.10.2014 festgelegt, erläutert Ann Marini auf Nachfrage von BIOSKOP, Pressesprecherin des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen. Im »Übergangszeitraum bis Oktober 2014« könne der Arzt für seine Abrechnung auch noch auf die Daten der alten KVK-Chipkarte zurückgreifen. Dies stehe so im Bundesmantelvertrag, den der GKV-Spitzenverband mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) geschlossen hat.

Welche Umstände auf KVK-Inhaber in der Praxis zukommen, hängt entscheidend vom individuellen Verhalten ihrer ÄrztInnen ab.

KBV-Chef Andreas Köhler interpretiert den selben Bundesmantelvertrag anders: Die KVK könne auch nach Oktober 2014 in den Praxen noch verwendet werden, und zwar bis zum Ablauf der aufgedruckten Gültigkeitsdauer; die Darstellung, dass die KVK zum Jahresende 2013 ihre Gültigkeit verliere, sei eine »Fehlinformation der Kassen«.

Das Verwirrspiel der Vertragspartner mag für PatientInnen komisch oder auch nervig sein. Ob und welche Umstände auf KVK-Inhaber in der Praxis zukommen, hängt indes entscheidend davon ab, wie sich ihre ÄrztInnen individuell verhalten werden. Dass ein Großteil der MedizinerInnen die neue eGK kritisch sieht oder auch ganz ablehnt, zeigte sich zum Beispiel 2012 beim Deutschen Ärztetag, der ja gefordert hat, das politische Großprojekt eGK aufzugeben. GKV-Sprecherin Marini glaubt aber, dass es 2014 durchaus KassenärztInnen geben wird, die sich weigern, die alte KVK weiterhin zu akzeptieren. Dagegen schreibt KBV-Sprecher Roland Stahl, nach Einschätzung der KBV werde dieser Fall nicht eintreten. »Der Versicherte«, sagt Stahl voraus, »wird beim Praxisbesuch keine Unterschiede bemerken.«

»Das geht angesichts der breiten Skepsis in der Bevölkerung vermutlich nur mit Zwang.«

Dass die alte KVK bis zum aufgedruckten Gültigkeitsdatum als Versicherungsnachweis ausreicht, meint auch die Verbraucherzentrale Hamburg. Unter der Überschrift »Countdown für den gläsernen Patienten?« informiert sie auf ihrer Internetseite unaufgeregt über Rechtslage und Risiken rund um die eGK, deren eigentlich für 2006 vorgesehene Einführung durch technische Probleme und »Widerstand breiter Kreise« jahrelang verzögert wurde.

Wer die eGK annehme, gehe »zunächst« kein größeres Risiko ein als mit der KVK. »Unsere Bedenken«, so die VerbraucherschützerInnen, »beziehen sich eher auf später – wenn einmal alle möglichen Anwendungen der eGK eingeführt sein werden.« Besorgniserregend sei die Perspektive, dass alle medizinischen Daten auf zentralen Großrechnern (Server) gespeichert werden könnten – und die eGK als elektronischer Schlüssel dazu diene. Zwar verweisen Politik, Krankenkassen und auch manche Datenschutzbeauftragte gern auf die geltende Rechtslage, derzufolge die Versicherten ja selbst über die Speicherungen derart intimer Daten entscheiden dürfen, sobald dies in einigen Jahren technisch möglich werde. Die Hamburger Verbraucherzentrale argwöhnt jedoch, dass die Freiwilligkeit wohl nicht von Dauer sein werde – Begründung: »Denn die Industrie will eines Tages die Milliarden, die sie bereits investiert hat, sowie ein Vielfaches als Gewinn wieder herausbekommen. Und das geht angesichts der breiten Skepsis in der Bevölkerung vermutlich nur mit Zwang.«

»Die eGK soll ausgebaut werden«

Der Koalitionsvertrag der neuen Regierungspartner CDU, CSU und SPD kündigt auf Seite 142 an: »Die eGK soll ausgebaut werden, um den bürokratischen Aufwand für Patientinnen und Patienten zu verringern und die Kommunikation zu verbessern.« Auch vor diesem Hintergrund stellt sich für einige Millionen Versicherte die Frage: Schicke ich jetzt doch ein Foto für die eGK an meine Krankenkasse oder nicht? Für die Antwort haben sie wohl noch mindestens neun Monate Zeit.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2013
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