BioSkop unterstützen! Kontakt Über uns

Eine Welle in Gang setzen

»Nicht wenige Medizinjournalisten schreiben heute gezielt Artikel, die den jeweiligen Ausschreibungs-Bedingungen für Pharma-Preise entsprechen. Die Pharmaunternehmen erhalten mit einer hochdotierten Preisausschreibung dabei nicht nur einen wohlgefälligen Beitrag, sondern setzen eine Welle von Berichterstattung über die von ihnen ‘geförderten’ Krankheiten in Gang.«

Einschätzung des Journalisten Markus Grill, nachzulesen auf Seite 171 seines Buchs Kranke Geschäfte. Wie die Pharmaindustrie uns manipuliert. Sein 286 starkes Werk wurde im August 2007 vom Rowohlt Verlag veröffentlicht.



KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Guter Service, lukrative Preise

  • Forscher analysieren, wie Pharmafirmen in den USA versuchen, Medizinjournalisten zu beeinflussen

aus: BIOSKOP Nr. 45, März 2009, Seite 14+15

Kontakte von Pharmaunternehmen zu Wissenschaftlern, Ärzten und Patientenorganisationen werden zunehmend öffentlich hinterfragt. Doch wie unabhängig berichten eigentlich Medizinjournalisten? Und wie werden sie beinflusst? Eine Studie amerikanischer und australischer Forscher gibt Hinweise.

»Wenn wir Zeitungsberichte über eine vollständige Genesung sehen, die einem bestimmten Medikament zugeschrieben wird, müssen wir fragen, ob es irgendeine Verbindung zwischen dem Journalisten und dem Pharmaunternehmen gibt«, sagt Ray Moynihan. Der australische Journalist ist Mitautor der Studie »Who’s watching the watchdogs?« (»Wer beobachtet die Aufpasser?«), die im British Medical Journal (BMJ 2008, Vol. 337) vorgestellt wurde. Das Forscherteam um die Professorin Lisa M. Schwartz vom Dartmouth Institute für Gesundheitspolitik im US-Staat New Hampshire beleuchtet typische Strategien, mit denen Pharmafirmen Berichterstatter für sich einnehmen wollen.

Zu den subtilsten Methoden der PR-Abteilungen gehört es, ausgewählte Patienten für Interviews zu vermitteln, womit die medizinische Berichterstattung um eine »menschliche Dimension« bereichert werden soll. Derart »berührende Anekdoten« würden das Publikum aber mindestens dann die Irre führen, wenn sie eher eine Ausnahme als eine typische Erfahrung repräsentierten, warnen die ForscherInnem.

Ein verbreitetes PR-Instrument, dass die Aufmerksamkeit von Berichterstattern auf Krankheiten und neue Arzneien lenken soll, sind Journalistenpreise.

Ähnlich problematisch sei es, industrienahe Meinungsführer wie Ärzte oder Patientengruppen zu zitieren, ohne deren – womöglich existierende – finanziellen Verbindungen zu Unternehmen offen zu legen. Solche Informationslücken gibt es im Medizinjournalismus offenbar häufig: Laut Schwartz und Kollegen stellte sich bei einer Analyse einschlägiger Veröffentlichungen heraus, dass nur 40 Prozent derjenigen Berichte, die Experten oder Studien mit Industrieverbindungen zitierten, ausdrücklich auf mögliche Interessenkonflikte hinwiesen.

»Viele von uns erfahren von neuen Behandlungen erstmals aus den Medien«, schreiben die Forscher. Ein verbreitetes PR-Instrument, dass die Aufmerksamkeit von Berichterstattern auf Krankheiten und neue Arzneien lenken soll, sind Journalistenpreise. Praktisch alle Pharmariesen loben sie aus, den Gewinnern winken Preisgelder von mehreren tausend US-Dollar oder lukrative Reisen – natürlich nicht nur in den USA, sondern überall in den Industriestaaten, auch in Deutschland. Auf einen Blick sieht dies, wer beim Internetauftritt des Vereins »Wissenschaftspressekonferenz« (WPK) die einschlägige Preis-Seite anklickt. Dort erfährt man zum Beispiel, dass ein WPK-Mitglied den ersten »Wyeth-Journalistenpreis für Biotechnologie« gewonnen hat. Weitere Unternehmen sind als Preisstifter vertreten – mitunter auch, wenn man ihren Namen nicht gleich entdeckt: So etwa die Abbott GmbH & Co. KG, die den mit 5.000 Euro dotierten »Ludwig-Demling-Medienpreis« sponsert, der aber nicht von der Pharmafirma selbst, sondern vom Verein Gastro-Liga ausgeschrieben wird.

Die Forscher vom Dartmouth Institute glauben, dass Journalisten durch Annahme solcher Preise selbst in Interessenkonflikte geraten. Zum Beleg für diese These verweisen sie auf Studien über ähnliche Verbindungen zwischen Ärzten und Industrie, die zeigten, dass sich die Belohnten gegenüber ihren Gönnern auch in Zukunft verpflichtet fühlen könnten.

Welche Verflechtungen es zwischen Pharmaindustrie und Journalisten in Deutschland gibt, wäre noch empirisch zu untersuchen.

Loyalitätseffekte könnten auch auftreten, wenn angehende Medizinjournalisten an Instituten ausgebildet werden, die Lehrstühle unterhalten, die von der Pharmaindustrie gestiftet wurden. So gebe es an der Universität von North Carolina einen Glaxo-Wellcome-Professor namens Tom Linden. Zusammen mit seinen Studenten erstelle der Hochschullehrer eine Fernsehdokumentation, die zum Teil vom Pharmariesen Pfizer finanziert werde. Diese Darstellung bestreitet Linden nicht. Allerdings legt er Wert auf seine Feststellung, dass kein Sponsor die Journalismuslehrpläne beeinflusse.

Wohl gemerkt: Die Studie von Lisa M. Schwartz und Kollegen bezieht sich auf US-amerikanische Erfahrungen. Welche Verflechtungen es zwischen Pharmaindustrie und Journalisten in Deutschland gibt, wäre noch empirisch zu untersuchen.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2009
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Autors