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Sponsoring? Nein danke!

Die Erfahrungen mit Arzneimittelherstellern haben in der Psoriasis Selbsthilfe Arbeitsgemeinschaft (PSOAG) Nachdenklichkeit und engagierte Diskussionen hervorgerufen. Am 4. Mai 2007 gab es dann einen Beschluss: Die Mitgliederversammlung forderte den PSOAG-Vorstand auf, dass er sich zwar um SpenderInnen kümmern, aber keine Sponsorenverträge mit Pharmaunternehmen mehr unterschreiben soll. Zur Begründung heißt es unter anderem: »Die Patienten, die sich an uns wenden, erwarten glaubwürdige Informationen von uns. Politiker, mit denen wir sprechen, erwarten, dass unsere Positionen nicht fremd gesteuert sind. Diesen Anspruch werden wir einlösen, selbst auf das Risiko hin, dass wir deshalb einzelne Aktionen nicht mehr finanzieren können.«




ROLF BLAGA, Psoriasis Selbsthilfe Arbeitsgemeinschaft Berlin

Undurchschaubar vernetzt

  • Selbsthilfe und Pharmafirmen – Ein Erfahrungsbericht zu Kooperationen zwischen ungleichen Partnern

aus: BIOSKOP Nr. 38, Juni 2007, Seiten 4-5

Pharmaunternehmen sind an Kontakten zu PatientInnen-Organisationen lebhaft interessiert – insbesondere, wenn es gilt, neue Medikamente zu vermarkten. Als Zielgruppe im Blick haben einige Firmen auch die Psoriasis Selbsthilfe Arbeitsgemeinschaft (PSOAG), ein Zusammenschluss von Menschen, deren Hautkrankheit landläufig »Schuppenflechte« genannt wird. Einblick in die Strategien und Versuchungen der Arzneimittelhersteller gibt der folgende Erfahrungsbericht von PSOAG-Vorstandsmitglied Rolf Blaga.

Es ist unübersehbar: Immer mehr Firmen leisten sich eine oder mehrere »Patientenbeauftragte«. Ihre Aufgabe ist es, möglichst in direkten Kontakt mit Kranken zu kommen; zum Beispiel über eigene oder in Auftrag gegebene Internetportale zum Krankheitsbild, ÄrztInnen, die für Beratungen im Rahmen firmeneigener Telefon-Hotlines gut honoriert werden, PR-Anzeigen in Patientenzeitschriften. Zum weiteren Instrumentarium der MarketingstrategInnen gehören die Unterstützung durch bezahlte ReferentInnen bei »Tagen der offenen Tür in Arztpraxen« oder eigene Informationsmaterialen zum Krankheitsbild.

Subtiler läuft die Ansprache über Selbsthilfeorganisationen. Eine beliebte Variante sind firmeneigene Newsletter mit wichtigen Infos für Selbsthilfe-FunktionärInnen. Auch bieten die Hersteller den Organisationen gern an, die PR-Arbeit oder die Gestaltung des Internetauftritts zu übernehmen. Es finden gemeinsame Informationsveranstaltungen, Schulungen oder Pressekonferenzen statt. Auf den eigenen Beipackzetteln wird für diejenige Selbsthilfeorganisation geworben, zu der man die besten Kontakte pflegt. Da wird ein Hinweis auf eine PatientInnenveranstaltung in der (nur von ApothekerInnen gelesenen) Pharmazeutischen Zeitung finanziert. ReferentInnen werden für Vorträge in den örtlichen Gruppen gestellt oder sogar ein Büfett zum Jubiläum einer Gruppe spendiert – allerdings mit der Auflage, einen Firmenstand aufstellen zu dürfen. So werden enge und regelmäßige Kontakte aufgebaut und ein gemeinsames Interesse von Medikamenten-Anbietern und PatientInnen formuliert: das Recht des Erkrankten, Zugang zu allen Therapieangeboten zu bekommen, das aber erst noch gegen ÄrztInnen und Krankenkassen politisch durchgesetzt werden müsse.

Seit einigen Jahren sind auch für die Psoriasis neuartige und sehr teure Arzneimittel (»Biologics«) zugelassen. Seitdem ist das unternehmerische Interesse an uns spürbar gewachsen.

Früher haben wir in unregelmäßigen Abständen Spenden aus der Wirtschaft bekommen. Wir haben das stets als Anerkennung für unsere Arbeit verstanden. Seit einigen Jahren sind auch für die Psoriasis neuartige und sehr teure Arzneimittel (»Biologics«) zugelassen. Seitdem ist das unternehmerische Interesse an uns spürbar gewachsen. Die Firma Serono hat eine intensive Marktstudie betrieben. Mit Hilfe einer Londoner Marketing-Firma namens PHASE II wurden eigene, mehrsprachige Broschüren zu verschiedenen Aspekten der Schuppenflechte online gestellt und PatientInnen aus verschiedenen Ländern zu »Psoriasis-Botschaftern« gemacht.

Schließlich entwickelte PHASE II das Konzept »Welt-Psoriasis-Tag« – ein Tag, an dem weltweit über das Thema Psoriasis geredet werden soll. Nun ist unsere Krankheit nicht so dramatisch, wie Aids oder Krebs. Aber jeder von uns PatientInnen weiß, dass Schuppenflechte im öffentlichen Bewusstsein durchaus mit Angst vor Ansteckung oder Gefühlen von Ekel verbunden ist. Vor allem aber wissen wir, dass es Menschen gibt, die an ihrer Psoriasis verzweifeln. Daraus haben die WerbestrategInnen abgeleitet, dass man als Betroffener das Recht einfordern muss, jede potenziell hilfreiche Therapie verschrieben zu bekommen. Nicht zufällig lautete das Motto des ersten Welt-Psoriasis-Tag »Es gibt Hilfe«. Da treffen sich die gemeinsamen Interessen von verzweifelten PatientInnen und Anbietern teurer Pharmaprodukte.

Um den ersten Welt-Psoriasis-Tag vorzubereiten, wurden 2004 viele nationale Psoriasis-Verbände nach Amsterdam und London eingeladen. Die Profis der PR-Agentur PHASE II machten deutlich, wie wichtig Öffentlichkeitsarbeit sei. Es folgten Treffen in Kopenhagen und Stockholm, auf denen die Versammelten geschult wurden, wie man mit JournalistInnen und PolitikerInnen umgeht. In 2006 gab es ein fünftägiges, internationales Symposium zu Psoriasis und Psoriasis Arthritis für ÄrztInnen und PatientenvertreterInnen. Inzwischen hatten sich weitere Hersteller von »Biologics« bereit erklärt, Aktionen zum »Welt-Psoriasis-Tag« zu finanzieren. Die Patienten-VertreterInnen aus über 40 Staaten wurden darauf vorbereitet, mit diesen Firmen Aktionen in ihrem Land zu planen. In kurzer Zeit wurde ein Netzwerk aufgebaut, wie es bei den ÄrztInnen schon lange existiert. In teuren Hotels an attraktiven Orten werden Veranstaltungen oder Kurse angeboten – auf Kosten der Unternehmen. Natürlich ist es angenehm, derart privilegiert untergebracht und behandelt zu werden.

Damals war uns noch nicht bewusst, wie sehr wir mit diesen Aktionen zu einem Rädchen in der Marketing-Strategie der Konzerne geworden sind.

Seit 2005 arbeitet die PR-Agentur PHASE II nicht mehr direkt für die Pharmaindustrie, sondern für die »International Federation of Psoriasis Associations« (IFPA). Vor allem deren FunktionärInnen erhofften sich vom Welt-Psoriasis-Tag, dass ihre nationalen Selbsthilfe-Organisationen dadurch mehr Mitglieder und mehr politischen Einfluss gewinnen würden.

Aktionen zu einem einheitlichen »Welt-Psoriasis-Tag« zu machen, diese Idee hat auch die PSOAG aufgegriffen. Es waren natürlich nur solche Projekte, die von der Pharmaindustrie abgesegnet und finanziert wurden. Seit 2004 haben wir jedes Jahr einen Internet-Chat veranstalten können, mit einem Experten, der uns normalerweise zu teuer gewesen wäre. Einmal wurde an alle FachärztInnen für Dermatologie und Rheumatologie ein Plakat zum »Welt-Psoriasis-Tag« verschickt. In 2004 und 2005 haben wir im Berliner »U-Bahn-Fernsehen« auf unsere Krankheit aufmerksam machen können. Andere Verbände aus unserem Bereich inszenierten Telefon-Aktionen. Das alles bedeutet: Wir haben in den vergangenen Jahren von der pharmazeutischen Industrie immer wieder Geld bekommen, um gemeinsam abgestimmte Aktionen zum »Welt-Psoriasis-Tag« durchzuführen. Es hat uns gefreut, auf unsere Organisation und unser Krankheitsbild aufmerksam machen zu können. Aus eigenen Mitteln hätten wir das nicht finanzieren können. Aber damals war uns noch nicht bewusst, wie sehr wir mit diesen Aktionen zu einem Rädchen in der Marketing-Strategie der Konzerne geworden sind.

Man kennt sich, trifft sich europaweit in guten Hotels. Hochkarätige MedizinerInnen, gut geschulte PR-ExpertInnen und PatientenfunktionärInnen kommen zusammen.

Es gab auch schon Versuche, unsere Berichterstattung zu beeinflussen. Mal sollten wir nicht darüber schreiben, dass ein bekannter Schauspieler auf der Pressekonferenz einer Pharmafirma seine Psoriasis öffentlich gemacht hat. Dann wurde kritisiert, dass wir Nebenwirkungen eines »Biologics« benennen, denn das könnte PatientInnen schließlich abschrecken. Aber das waren keine ernsthaften Beeinflussungsversuche. Die wirkliche Einflussnahme läuft viel subtiler: Man kennt sich, trifft sich europaweit in guten Hotels und Restaurants. Hochkarätige MedizinerInnen, gut geschulte PR-ExpertInnen und PatientenfunktionärInnen kommen zusammen. Die einen wollen ihre hoch dotierten Vorträge halten, die anderen ihr Produkt anpreisen und die letzteren ihre Mitgliederzahlen und ihren politischen Einfluss erhöhen. Das ist alles mit Geld möglich. Ernsthafte, grundlegende Kritik am Medikament und an den Preisen äußert in solchen Kreisen niemand.

Es fehlt an sachlicher Distanz, die geboten ist, wenn PharmavertreterInnen und PatientInnen miteinander zu tun haben. Auch eine Selbsthilfe-Organisation, die von unterschiedlichen Firmen Geld nimmt, ist vor Einflussnahmen nicht gefeit. Sie wird sich zwar nicht direkt für ein Medikament aussprechen, aber auch nur schwerlich gegen eines. Die Pharma-Angebote insgesamt werden unkritisch oder weniger kritisch eingeschätzt.

Nicht jede Patientenvertretung ist gleich unglaubwürdig, wenn sie größere Summen von der Pharmaindustrie angenommen hat. Das eigene Selbstverständnis und Selbstbewusstsein spielt sicher auch eine Rolle. Trotzdem: Die PSOAG sieht sich aufgrund der öffentlichen Diskussion verpflichtet, zukünftig bewusst eine kritische Distanz zu den verschiedenen AkteurInnen im Gesundheitswesen zu halten – anstatt mit ihnen undurchschaubar vernetzt zu sein.

© Rolf Blaga, 2007
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