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»Vehement entgegen steuern«

»‘Wir sind keine unkritischen Lobbyisten der Pharmaindustrie, sondern steuern den durchaus vorhandenen Versuchen der Arzneimittelhersteller vehement entgegen, Selbsthilfegruppen zu unterwandern und zu beeinflussen’, betonen Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE und Burkhard Stork, Leiter der Bundesgeschäftsstelle der DCCV. […]

So hätten die BAG SELBSTHILFE und das FORUM im PARITÄTISCHEN zur Wahrung von Neutralität und Unabhängigkeit mit ihren Mitgliedsorganisationen Leitsätze für die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen im Gesundheitswesen verabschiedet und ein Monitoring-Verfahren eingeführt, das der Beratung und Information der Mitgliedsverbände dient, mit dem aber auch die Leitsätze weiterentwickelt und Verstöße gegen diese Leitsätze sanktioniert werden.«

aus einer Pressemitteilung vom 2. April 2009, gemeinsam unterzeichnet von der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe und dem Forum chronisch kranker und behinderter Menschen im Paritätischen Wohlfahrtsverband



KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Monitoring zur Unabhängigkeit der Selbsthilfe

  • Der erste Tätigkeitsbericht liegt vor

aus: BIOSKOP Nr. 46, Juni 2009, Seite 14

Pharmasponsoring wird von Medien und Fachöffentlichkeit zunehmend kritisch beobachtet. Verbände der Selbsthilfe haben reagiert und »Leitsätze« formuliert, die helfen sollen, ihre Unabhängigkeit und Neutralität bei Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen zu wahren. Darüber wachen sollen zwei »Monitoring«-Ausschüsse. Die Selbstkontrollgremien haben sich außerdem vorgenommen, die Leitsätze, die reichlich auslegungsfähige Passagen aufweisen _(Siehe BIOSKOP Nr. 39, zu konkretisieren und weiter zu entwickeln.

Ins Leben gerufen wurden die Monitoring-Ausschüsse von der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG) und dem FORUM im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Nun liegt der erste gemeinsame Tätigkeitsbericht vor, er bilanziert den Zeitraum von Mai 2007 bis Dezember 2008. Insgesamt zwei formale »Beanstandungen« wurden beim Monitoring-Ausschuss der BAG Selbsthilfe eingereicht, beide Male konnten die PrüferInnen aber keine Verstöße gegen die Leitsätze erkennen.

Im ersten Fall hielt es das Gremium für zulässig, dass eine Selbsthilfeorganisation (SHO) in ihrer Zeitschrift ein konkretes Medikament empfahl – Begründung: Das Präparat sei von besagtem Verband selbst mitentwickelt worden, außerdem habe es kein Alternativpräparat auf dem Markt gegeben. Im zweiten Fall ging es um den Geschäftsführer eines Selbsthilfeverbands, der »als Privatperson« eine Firmenveranstaltung moderiert hatte. Im Programm war seine Funktion allerdings ausdrücklich erwähnt worden. Dies sei nicht als Leitsatzverstoß zu werten, meint der Monitoring-Aussschuss, empfiehlt dem Mann aber, seine Verbandsfunktion »bei privaten Aktivitäten« künftig nicht mehr herauszustellen.

Dabei kam heraus, dass ein redaktioneller Beitrag »zu einem bestimmten« Wirkstoff in unmittelbarer Nähe zu einer Anzeige stand, die für ein Produkt warb, das eben diese Substanz »in besonders großem Umfang« enthält.

Zu mehreren Vorgängen, die »in öffentlichen Publikationen benannt« worden waren, unternahm der Ausschuss so genannte Initiativprüfungen. Dabei stellte er teils Leitsatzverstöße fest, teils nicht. »Bedenklich« finden die PrüferInnen zum Beispiel, dass ein selbst betroffener Mitarbeiter eines Wirtschaftsunternehmens als Vorsitzender einer SHO fungiert, »wenn das betreffende Unternehmen Produkte im Indikationsbereich des Verbandes vertreibt oder entwickelt« – aber auch nur dann, »wenn die betreffende Person an entscheidungsbefugter Stelle in dem Unternehmen tätig« sei.

Klare Leitsatzverstöße erkannte der BAG-Ausschuss in einem anderen Fall. Auf der Homepage einer SHO war ein aktiver Link auf die Homepage eines Gesundheitsunternehmens geschaltet, das obendrein Inhaber der Internetseiten war, die unter dem Namen der SHO firmierten. Geprüft hat das Gremium auch ein »Schwerpunktheft« einer SHO. Dabei kam heraus, dass ein redaktioneller Beitrag »zu einem bestimmten« Wirkstoff in unmittelbarer Nähe zu einer Anzeige stand, die für ein Produkt warb, das eben diese Substanz »in besonders großem Umfang« enthält – auch dies ist mit den Regeln der Selbsthilfe unvereinbar.

Bedauerlich ist, dass die Fallbeschreibungen keine Namen auffällig gewordener Organisationen und Firmen nennen.

Was die BAG unter »Weiterentwicklungsbedarf bei den Leitsätzen« versteht, zeigt der Fall einer SHO, die den Monitoring-Ausschuss von sich aus gebeten hatte, ihre Aktivitäten zu begutachten. MitarbeiterInnen dieses Verbands hatten für die Mitgliederzeitschrift mehr als 100.000 Euro für Anzeigen eingeworben – pro Jahr. Ein Leitsatzverstoß sei das zwar nicht, meint der BAG-Aussschuss. Aber es bestehe weitergehender »Beratungsbedarf«: zum Beispiel könnte festgelegt werden, dass »nicht mehr ein bestimmter Prozentsatz des Haushaltsvolumens über einzelne wirtschaftliche Geschäftsbetriebe eingenommen werden darf«.

Fazit: Der Monitoringbericht, den man auf der Homepage der BAG Selbsthilfe vollständig lesen kann, gibt interessante Einblicke in Beeinflussungsversuche, die im Sponsoringalltag vorkommen – und er lässt ahnen, wo Sensibilität und Selbstkontrolle derzeit endet. Bedauerlich ist, dass die Fallbeschreibungen keine Namen auffällig gewordener Organisationen und Firmen nennen und streckenweise etwas nebulös formuliert sind. Für Menschen, die nach unabhängigen und neutralen SHO suchen, sind derartige Anonymisierungen ein unnötiges Hindernis.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2009
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