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KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP


Wachstumsbranche Organhandel

  • Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation gibt einen Einblick in den globalen Transplantationstourismus

aus: BIOSKOP Nr. 43, September 2008, Seite 3

Der Handel mit menschlichen Körperteilen floriert weltweit. Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) floss bei jeder zwanzigsten Transplantation, die 2005 ausgeführt wurde, reichlich Geld. ProfiteurInnen sind Organvermittler und PatientInnen aus wohlhabenden Staaten, die sich vor allem in asiatischen Kliniken Nieren oder Leberstücke kaufen und übertragen lassen. Die Organe stammen von Menschen, die hoffen, mit einer »Entschädigung« von einigen tausend Dollar ihre Armut lindern zu können.

Organhandel ist in den meisten Staaten verboten und findet im Verborgenen statt. Als ersten Versuch, das illegale Dunkel auszuleuchten, versteht die WHO ihren im Dezember 2007 publizierten Report, den die Oxforder Wissenschaftlerin Yosuke Shimazono geschrieben hat. Wie schwierig ihr Auftrag war, macht Shimazono schon in ihrer Einleitung deutlich: »Trotz wachsenden Bewusstseins für das Thema ist die Realität des internationalen Organhandels nicht gut verstanden. Das liegt an der Datenarmut und den mangelhaften Bemühungen, vorhandene Informationen auszuwerten.« Ein erkennbares Interesse daran haben weder Politik noch Ärzteschaft. Vor diesem Hintergrund war die Forscherin vornehmlich auf Darstellungen aus Presseartikeln angewiesen, über 200 englisch- und japanischsprachige Berichte aus fünf Jahren hat sie gefunden.

  • »All-Inclusive-Pakete«

Befördert wird der globale Transplantationstourismus durch die unbegrenzte Reichweite des Internets. Diverse Kliniken in China, Pakistan oder den Philippinen bieten auf ihren Webseiten offen Nieren, Leberstücke und sogar Lungen zum Kauf an. Die Preise für so genannte »All-Inclusive-Pakete«, die neben den Kosten für Organkauf und -transplantation auch Flug und Unterkunft einschließen, liegen bei Nieren zwischen 70.000 und 160.000 US-Dollar. Allein in Indien sollen jährlich 2.000 Menschen eine Niere verkaufen, in Pakistan seien im Jahr 2005 sogar zwei von drei verpflanzten Organen auf AusländerInnen übertragen worden. Mitunter sollen sogar Botschaften kranken Staatsangehörige dabei helfen, an ein fremdes Organ zu kommen. Laut Zeitungsberichten sei dies etwa in Pakistan und den Philippinen vorgekommen.

NutznießerInnen sind nach Erkenntnissen der Nichtregierungsorganisation Organ Watch vor allem PatientInnen aus Staaten wie Australien, Kanada, Israel, Saudi-Arabien, Oman und den USA. Allerdings müssen sie auch mit Risiken rechnen. Shimazono hat nämlich mehrere Studien gefunden, die über ernste medizinische Komplikationen bei OrgankäuferInnen berichten, etwa die Übertragung von HIV- und Hepatitisviren.

  • Kaum erforscht

Die OrgangeberInnen werden in der Regel mit wenigen tausend Dollar abgespeist. Wie sich ihre Gesundheit nach Entnahme ihres Körperteils entwickelt, ist weitgehend unbekannt; auf Untersuchungen, die sich dieser Frage widmen, ist Shimazono bei ihrer Recherche nicht gestoßen. Allerdings hat sie mehrere Studien gefunden, die Auskunft über die soziale Lage der OrganverkäuferInnen geben. Deren überwiegende Motivation sei Armut, aus der sie der Verkauf einer Niere in der Regel aber nicht herausholen kann: »Der ökonomische Nutzen nach einer Organgabe«, so Shimazono, »ist begrenzt oder auch negativ, weil solche Patienten in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt sind.« Mitunter werden sie auch chronisch krank, zumal ihnen keine medizinische Nachsorge zur Verfügung stehe; auch litten OrganverkäuferInnen häufig unter Schamgefühlen und Depressionen.

  • Einigermaßen hilflos

Angesichts der mafiösen, internationalen Strukturen des Organhandels und der Tatsache, dass die Organwartelisten in den Industriestaaten lang sind, erscheinen die Schlussfolgerungen der WHO-Studie einigermaßen hilflos: Gesetze müssten weltweit überprüft, die Forschung über Organhandel intensiviert und die Herkunft verpflanzter Körperteile dokumentiert und lückenlos nachvollziehbar werden. Und WHO-Berater Francis Delmonico empfiehlt: »Die wirkliche Lösung ist, Menschen durch gute medizinische Versorgung vor dem Versagen ihrer Nieren zu bewahren.«

© Klaus-Peter Görlitzer, 2008
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