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    Transplantationsmedizin und ihre Akteure sind umstrittener denn je. Um aufzuklären und Diskussionen anzuregen, haben BioSkop, Hospizvereinigung OMEGA und Arbeitskreis Frauengesundheit gemeinsam ein neues Faltblatt erstellt.

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  • ERIKA FEYERABEND, Journalistin und BioSkoplerin und ROBERTO ROTONDO, Psychologe und Krankenpfleger

    Durchlässige Körper

    • »Lebendorganspenden« und Körperteilentnahmen von »Herztoten« werden schleichend ausgeweitet

    aus: BIOSKOP Nr. 14, Juni 2001, Seiten 6+7

    Was vor gut 30 Jahren noch undenkbar war, steht für die meisten GesundheitspolitikerInnen weltweit längst außer Frage: dass Körper von PatientInnen mit schlagendem Herzen und messbarem Ausfall des Gehirns als Organgeber genutzt werden dürfen – und auch sollen. Gesetze und Richtlinien, Verteilungssysteme und Werbeagenturen, Krankenkassen und Versicherungen zementieren diese Normalität. Und auf dieser Basis wird unaufhörlich Neues anvisiert. Die schleichende Tendenz, so genannte Lebendspenden und Organbeschaffungen von »Herztoten« auszuweiten, machen die Menschenkörper immer durchlässiger.

    Seit Jahrzehnten propagieren Transplanteure und PolitikerInnen der westlichen Welt unermüdlich die Organabgabe im Falle des »Hirntodes«, zwecks Beschaffung und Verteilung von Körperteilen haben sie Ressourcen, Management und Regelungen aufgebaut. Werbung und staatliche Aufklärungsprogramme halten die Vorstellung aufrecht, dass Sterbende ein Ensemble verpflanzbarer Organe in sich tragen.

    Doch der »Hirntod«, der zwecks Organentnahme konzipiert wurde, ist selten. An diesem Faktum enden alle Werbe- und Motivationskampagnen: Es muss wirklich gestorben werden, in Intensivstationen und unter Einhaltung anerkannter berufsständischer Kriterien. In Deutschland sterben jährlich rund 5.000 Menschen auf diese Weise, und nicht jede/r eignet sich für die Organentnahme. Steigerungsraten lassen sich dennoch erzielen, zum Beispiel, wenn sich gesunde Menschen Körperstücke entnehmen lassen, um sie auf kranke Menschen übertragen zu lassen.

    • Undurchsichtige Prüfverfahren

    Diese so genannte »Lebendspende« wurde Ende 1997 durch das Transplantationgesetz juristisch abgesichert. Seither ist es legitim, dass Eltern, Ehepartner, unverheiratete Paare oder FreundInnen Nieren oder Leberstücke für Kranke hergeben. Formal muss eine »emotionale Bindung« und »freiwillige« Abgabebereitschaft nachgewiesen werden. Kommissionen sollen dies überwachen, doch ihre Prüfverfahren sind bislang undurchsichtig. _(Siehe BIOSKOP Nr.13 Dabei galt diese Form der »Spende« noch vor einigen Jahren als unzumutbar, zumal sie dem kommerziellen Handel mit Körperteilen gefährlich nahe komme.

    Während hierzulande die Bereitschaft zur »Lebendorganspende« kaum zunimmt, werden aus den USA beachtliche Wachstumsraten gemeldet, zwischen 1994 und 1998 um 38%. Und auf dem Boden der akzeptierten Praxis, innerhalb von Familien oder Freundschaften Organe herzugeben, entstehen weitere Angebote. Ein bemerkenswertes Beispiel beschrieb das New England Journal of Medicine (NEJM, 10. Aug. 2000, Vol 343): An der Universität von Minnesota haben Arthur J. Matas und Kollegen quasi die neue Ressourcenpolitik der »ungerichteten Spende« etabliert. Die Transplantationschirurgen behaupten, sie seien von Personen angesprochen worden, »die anboten, irgendeinem Patienten auf der Warteliste eine Niere zu spenden. Ein Prozess, den wir ‘ungerichtete Spende’ nennen«.

    • Steigerung der Nachfrage

    Das Zentrum wirbt jedoch auch aktiv und konnte fast 100 Anfragen aus der Bevölkerung provozieren. 18 Abgabewillige wurden schließlich vor der zentrumseigenen (!) Kommission angehört, davon sechs als »SpenderInnen« akzeptiert. Vier Transplantationen dieser Art sind bislang durchgeführt worden. Die EmpfängerInnen werden aus der zentrumseigenen (!) Warteliste ausgewählt. Vor der Operation bleiben »SpenderIn« und »EmpfängerIn« anonym. Die Zeit nach der Operation entzieht sich allerdings jeder Kontrolle.

    Das Wissen um die Option, nicht allein auf die Organe »hirntoter« PatientInnen angewiesen zu sein, steigerte prompt die allgemeine Nachfrage nach Organen in Minnesota. Norman Levinsky vom medizinischen Zentrum der Universität Boston konstatiert bereits einen Wettkampf unter den Transplantationszentren um »ungerichtete Lebendspenden«, die Universität Maryland pries vor kurzem ihr Programm mit Inseraten in der New York Times an. Wenn die Risikoabschätzungen für Transplantationen mit Stücken aus Lunge, Bauchspeicheldrüse und Leber zukünftig günstiger ausfallen sollten, wollen die Transplanteure ihre Politik der »ungerichteten Spende« ausweiten.

    Eine andere, aussichtsreichere Variante, die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage von Organen zu schließen, ist die Verwendung von Menschen »ohne schlagende Herzen« (non-heart-beating). Als Vorreiter gilt das Universitätsklinikum Maastricht in den Niederlanden, wo seit den achtziger Jahren »Spenderprogramme mit Herztoten« laufen. Dafür wurden eigens vier Standard-Kategorien geschaffen.

    • »Herztote« als potenzielle Ressource

    Nach Kategorie I, »Tod bei Ankunft in der Klinik«, bleibt dem Fachpersonal noch eine 30-Minuten-Frist, um akzeptable Organe zu gewinnen. Kategorie II, die »erfolglose Wiederbelebung«, lässt nach einer zehnminütigen Wartezeit die Prozeduren einer Explantation zu. Gemäß Kategorie III wird die künstliche Beatmung im Operationssaal beendet, um die Nieren gleich an Ort und Stelle zu entnehmen. Als Vorbild dient das Transplantationszentrum in Pittsburgh (USA), wo Chirurgen die Entnahme von Nieren und Leber nach zweiminütigem Herzstillstand starten dürfen. Die letzte transplantationsförderliche Sterbesituation ist der »Herzstillstand während des Hirntodes«. In Transplantationszentren wie Maastricht oder Leicester (GB) werden mittlerweile ein Viertel aller Nieren von PatientInnen »ohne schlagendem Herzen” gewonnen.

    Bislang stehen die Nieren im Zentrum der medizinischen Aufmerksamkeit. Anders im schwedischen Lund: Am Universtätshospital Lund explantiert man seit kurzem die Lungen von PatientInnen ohne schlagende Herzen. Ungefähr die Hälfte aller Tode in Schweden sind durch verschiedene Herz-Kreislauferkrankungen verursacht – ein Kollektiv von Sterbenden, das Transplanteur Stig Steen und sein Team gern dazu nutzen würde, Engpässe im Transplantationswesen endgültig zu beseitigen. Mitte März berichtete das britische Fachblatt The Lancet über das Projekt: »Diese Gruppe«, erläuterte Steen, »könnte eine potenzielle Ressource für Lungen-Spenden sein. Wenn alle Krankenhäuser und Ambulanzen in Schweden entsprechend ausgebildet sind, hoffen wir, dass es genug Spender-Lungen guter Qualität für alle Patienten gibt.«

    Die prinzipielle Machbarkeit ihres Verfahrens demonstrierten die schwedischen Ärzte am Beispiel eines Patienten, der nach erfolgloser Wiederbelebung für tot erklärt worden war. Direkt nach der Todesdiagnose wurde in seinem Körper über einen Venen-Katheter das gerinnungshemmende Mittel Heparin verteilt. Ein Transplantationskoordinator mit Laptop hatte sich bereits mit dem nationalen Spende-Register verbunden, als die Angehörigen informiert wurden. Nach erfolgter Einwilligung wurde Kühlflüssigkeit in den Brustkorb gepumpt, drei Stunden später konnten die Lungen heraus präpariert werden. Die Angehörigen hatten noch eine Stunde Zeit, um sich von dem Verstorbenen zu verabschieden. Dazu betont der Erfolgsbericht, die Pumpen für die Kühlflüssigkeit unter dem Bett des Toten arbeiteten leise, eine Störung der Abschiedszeremonie gebe es nicht.

    Für eine nationale Lösung der Organknappheit bedarf es freilich mehr. Die schwedischen Mediziner organisierten Umfragen in Krankenhäusern. Sie informierten das Ethikkomitee der Universitätsklinik, der Regierung und des Gesundheitsministeriums. Die Öffentlichkeit wurde mit Hilfe aller nationalen Fernseh- und Radiostationen über die neue Möglichkeit in Kenntnis gesetzt. Die Reaktionen waren durchweg positiv, der gesellschaftliche Konsens scheint hergestellt.

    • »Lebende Hirnzellen« von Toten

    Neben dem diffusen Hirntod-Konzept, das Menschen mit schlagendem Herzen zu Tode definiert, geraten folglich mehr und mehr Sterbesituationen in Krankenhäusern unter den Gesichtspunkt der Verwertung. Die Zeitschrift Nature berichtete Anfang Mai 2001, eine Forschergruppe am Salk Institute in Kalifornien habe »lebende Hirnzellen« aus Toten heraus präpariert, kultiviert und vervielfältigt. Schon ist die Rede von einer passablen Alternative zur Stammzellgewinnung aus menschlichen Embryonen, um als Rohstoff für Experimente mit Alzheimer- oder Parkinson-PatientInnen zu dienen.

    Die Menschenkörper sind durchlässig geworden. Und die unermüdliche Suche nach nützlichen Körpersubstanzen macht selbst vorm Tod nicht halt.

    © Erika Feyerabend / Roberto Rotondo, 2000
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