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KLAUS-PETER GÖRLITZER, Journalist und redaktionell verantwortlich für BIOSKOP

Hirntodkriterium verfassungswidrig?

  • Expertenanhörung im Bundestag

aus: BIOSKOP Nr. 55, September 2011, Seite 15

Bei einer Überarbeitung des Transplantationsgesetzes (TPG) muss auch das Hirntodkriterium »auf den Prüfstand gestellt« werden, fordert der frühere Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig. Die Bundesärztekammer (BÄK) sieht dafür gar keinen Anlass.

Die Hirntodformel »dürfte sich heute womöglich als vorschnell erweisen, sie scheint tendenziell zu willkürlich und zu eng«, schreibt Schmidt-Jortzig, der seit 2008 Vorsitzender des Deutschen Ethikrates ist. In seiner Stellungnahme zur Bundestagsanhörung vom 29. Juni heißt es weiter, es erscheine nicht ausgeschlossen, dass das Hirntodkriterium angesichts neuer medizinwissenschaftlicher Einsichten »verfassungswidrig geworden sein könnte«.

Während der Anhörung verwies die Soziologieprofessorin Alexandra Manzei an neurologische Studien aus den USA, die das Hirntodkonzept seit Jahren wissenschaftlich in Frage stellen (Siehe BIOSKOP Nr. 51). Gemäß TPG sei die BÄK verpflichtet, deren Relevanz »medizinisch abzuklären« , sagte Manzei. Auch müsse die BÄK überprüfen, ob die Kriterien zur Feststellung des Hirntodes »noch die angemessenen« seien oder die bisher eingesetzten apparativen Diagnoseverfahren erweitert werden müssten.

Sachgerecht wäre, dass die Politik kühlen Kopf bewahren und die BÄK veranlassen würde, endlich diejenigen Aufgaben zu erledigen, die ihr der Gesetzgeber vertrauensvoll übertragen hat.

Dies dürfte dem Bundestag nicht ganz neu sein: Seit 2009 liegt eine vom Bundesgesundheitsministerium veranlasste Zehn-Jahres-Bilanz zum TPG vor, die auch auf »Mängel in der Hirntoddiagnostik« hinweist (BIOSKOP Nr. 46). Ausgesagt hatte dies die Deutsche Stiftung Organtransplantation in Bayern.

Doch die BÄK wiegelte während der Anhörung einfach ab. Ihr Präsident Frank Ulrich Montgomery sagte, in der »seriösen herrschenden Mehrheitsmeinung der Wissenschaft« gäbe es zum Hirntodkonzept keine nachgewiesenen Änderungen. BÄK-Berater Prof. Heinz Angstwurm erklärte, die Hirntoddiagnostik werde zwar »immer wieder angezweifelt«, es gebe aber »keine neuen Erkenntnisse«, behauptet der Neurologe.

Die Beratungen zur TPG-Reform sollen im Herbst in die heiße Phase treten. Sachgerecht wäre, dass die Politik kühlen Kopf bewahren und die BÄK veranlassen würde, endlich diejenigen Aufgaben zu erledigen, die ihr der Gesetzgeber vertrauensvoll übertragen hat.

© Klaus-Peter Görlitzer, 2011
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