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ERIKA FEYERABEND, Journalistin und BioSkoplerin

Befruchtung zum halben Preis

  • Rabatte sollen Frauen in Newcastle dazu bewegen, Eizellen für Klonforscher zur Verfügung zu stellen

aus: BIOSKOP Nr. 35, September 2006, Seiten 6+7

Die britische Aufsichtsbehörde Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) hat im Juli eine Lizenz mit weitreichenden Folgen vergeben. Sie ermöglicht dem Fertilitätszentrum in Newcastle, In-vitro-Befruchtungen (IVF) zum halben Preis anzubieten – vorausgesetzt, Frauen geben ihre Eizellen für die Klonforschung her.

In Newcastle ist im letzten Jahrzehnt ein »Centre of Life« entstanden, gesponsert vom regionalen Entwicklungsfonds der EU, vom Wellcome Trust und der nationalen Lotterie. Dort wird Grundlagenforschung betrieben, im Institut für Humangenetik ebenso wie im Institut für Stammzellbiologie und Regenerative Medizin. Die benachbarte Befruchtungsklinik des Nationalen Gesundheitsdienstes bürgt dafür, dass die Wege der ForscherInnen zu den Patientinnen kurz sind. Eine ebenfalls dort ansässige Agentur für Technologie-Transfer und Bio-Unternehmen lässt vermuten, dass sich der »Dienst am Leben« durchaus versilbern lässt. Und für biowissenschaftliches Entertainment sorgt ein so »Kommunikationszentrum«. Es bietet Ausstellungen, ein »LifeLab« (Labor) für Kinder und Wissenschaftsfestivals.

  • Klon-Experimente steigern den Bedarf

Im Centre of Life wird geforscht, beispielsweise an Pränataldiagnostik und Stammzelltechnologie mittels Zellkerntransfer. Lizensiert werden diese Projekte von der britischen Aufsichtsbehörde HFEA. Besonders die Klon-Experimente steigern den Bedarf an weiblichen Eizellen.

Offiziell dürfen sich die beteiligten ForscherInnen diese Eizellen bislang nicht einfach aneignen von Frauen, die sich einer IVF-Behandlung unterziehen – weder über Einwilligungsformulare noch gegen Geld. Auch eine indirekte Bezahlung in Form des so genannten egg-sharings ist für Klon-Experimente nicht zulässig. Aber seit rund zehn Jahren können Frauen die Kosten der eigenen Behandlung reduzieren, wenn sie einen Teil ihrer Eizellen nachfragenden Paaren überlassen. Auf Eizellen, die für weitere Befruchtungen nicht in Frage kommen, können WissenschaftlerInnen zurückgreifen.

  • Praktische Voraussetzungen

Die kurzen Wege zwischen Reproduktionsklinik und Stammzellinstitut in Newcastle, die vorhandene HFEA-Lizenz für den Transfer von Zellkernen und für Experimente mit nicht-befruchteten Eizellen, solche Voraussetzungen reizen zur Suche nach neuen Quellen für »Bio-Material«. Schon 2004 hatte Alison Murdoch, Professorin für Reproduktive Medizin und Direktorin der Befruchtungsklinik in Newcastle, neue Zugriffsrechte von der staatlichen Behörde bekommen. Frauen, denen nach Hormonstimulation mehr als zwölf Eizellen herausoperiert werden konnten, dürfen seither um zwei Zellen für die Klon-Forschung gebeten werden – unentgeltlich.

  • Internationaler Konkurrenzkampf

Diese Erlaubnis soll den ExpertInnen binnen sieben Monaten insgesamt 66 zusätzliche Eizellen eingebracht haben – bei weitem nicht genug, finden die forschenden Empfänger. Wie groß ihr Bedarf ist, veranschaulicht die 2005 veröffentlichte Top-Leistung des Murdoch-Teams: Mittels Kerntransfer, so die Darstellung der WissenschaftlerInnen, hätten sie einen geklonten Embryo produziert und dafür 36 Eizellen von elf »Spenderinnen« verbraucht.

Heute ist die internationale Konkurrenzposition des Standorts Newcastle besser denn je: Der südkoreanische Stammzellforscher Hwang Woo-suk, der auf dem Gebiet des Klonens lange als weltweit führend galt, ist inzwischen ausgeschaltet. Hwang wurden Anfang 2006 gefälschte Studien nachgewiesen, weshalb die Universität Seoul ihren einst gefeierten Wissenschaftler gefeuert hat. Nun muss er sich vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: Betrug und Missbrauch staatlicher Fördergelder.

  • Geschäfte auf Gegenseitigkeit

Die HFEA gewährt dem Team im Norden der britischen Insel die gewünschten, optimierten Arbeitsbedingungen. Frauen, die sich einer künstlichen Befruchtung unterziehen, dürfen nun gebeten werden, die Hälfte ihrer entnommenen Eizellen für Klon-Experimente zur Verfügung zu stellen. Der Wert ihrer begehrten, »frischen« Eier wird auf 1.200 britische Pfund taxiert. Das bedeutet: Frauen können die Kosten von rund 3.000 Euro, die für eine IVF in Newcastle anfallen, praktisch halbieren. Solche Geschäfte auf Gegenseitigkeit sind nicht nur attraktiv für die Klon-ForscherInnen im Stammzellinstitut, die nun auf reichlich »Bio-Material« hoffen dürfen. Sie dienen auch den PraktikerInnen in der Befruchtungsklinik, die mit noch mehr IVF-Kundinnen rechnen können.

Den Weg in die Kommerzialisierung scheint die britische Aufsichtbehörde immer weiter gehen zu wollen. Noch bis November veranstaltet sie eine öffentliche Konsultation. Das Hauptthema: Welche besonderen Aspekte gibt es für Frauen, die bereit sind, für die Forschung zu »spenden«, aber keine künstliche Befruchtung vornehmen lassen wollen?

© Erika Feyerabend, 2006
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