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»Reproduktives Reisen«

Samenspenden sind in Deutschland möglich. Eizellspenden und Leihmutterschaft schließt das Embryonenschutzgesetz dagegen aus; erlaubt ist nur der Transfer von Eizellen, die von der Patientin stammen.

Abseits der Rechtslage hat sich eine Praxis entwickelt, die Fachleute »reproduktives Reisen« nennen. Ungewollt kinderlose Paare lassen sich in Kliniken in Belgien, Spanien oder einigen osteuropäischen Staaten behandeln, wo Befruchtungen mit fremden Eizellen erlaubt sind. Wie viele diesen Weg bisher tatsächlich gegangen sind, dazu gebe es »keine verlässlichen Daten«, schreibt das Büro für Technikfolgen-Abschätzung (TAB) in seiner Studie zur Fortpflanzungsmedizin, veröffentlicht im November 2010 als Bundestagsdrucksache 17/3759.

Das TAB nennt aber einige geschätzte Zahlen, etwa für Spanien: Dort seien im Jahr 2006 rund 1.500 Behandlungszyklen mit Eizellspenden an ausländischen Frauen durchgeführt worden – »vor allem aus Deutschland, Italien und Großbritannien«. Das TAB sieht Forschungsbedarf, nicht nur zum Umfang des »reproduktiven Reisens«, sondern auch zu konkreten Erfahrungen mit Kinderwunsch-Behandlungen im Ausland.

Eine weitere, brisante Wissenslücke sprechen die Technikfolgenabschätzer ebenfalls an: »Völlig unbekannt sind zurzeit die Situation der Eizellspenderinnen und Leihmütter, die ihre ‘Dienste’ deutschen Paaren zur Verfügung stellen, sowie die langfristigen körperlichen und psychischen Folgen. Hier gilt es, in Kooperation mit ausländischen Zentren Forschungsprojekte zu initiieren.«

Klaus-Peter Görlitzer (Juni 2013)



MARTINA KELLER, Journalistin

Embryos auf Bestellung

  • Kalifornische Klinik gründet ihr Befruchtungsangebot auf Eizellen von Spenderinnen und Sperma von Spendern

aus: BIOSKOP Nr. 62, Juni 2013, Seiten 4+5

Das Davis Fertility Center in Kalifornien wirbt mit einer neuen Geschäftsidee: Aus Eizellen von Spenderinnen und Sperma von Spendern werden Embryos hergestellt, um Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch zum Nachwuchs zu verhelfen. Produziert wird nach Bedarf und Wünschen der Kundschaft.

Mit seinem sogenannten »California Conceptions Program« zielt das Davis Fertility Center auf Frauen, die sich eine teure Unfruchtbarkeitsbehandlung nicht leisten können. Ihnen werden »ausgezeichnete Erfolgschancen zu sehr erschwinglichen Preisen« versprochen. Während eine durchschnittliche Unfruchtbarkeitsbehandlung bis zu 15.000 Dollar pro Zyklus kostet, bietet das Davis Fertility Center bis zu drei Embryotransfers für nur 12.500 Dollar an. Hinzu kommen noch Medikamentenkosten von 800 bis 1.000 Dollar pro Versuch.

Falls auch der dritte Embryotransfer innerhalb eines Jahres nicht erfolgreich war, gibt es das Geld zurück.

Das Zentrum wirbt mit Erfolgsraten von 65 bis 85 Prozent – und ist sich seiner Sache offenbar sehr sicher. Die meisten Patientinnen können sich für eine Geld-Zurück-Garantie bewerben. Dafür müssen sie einige medizinische Untersuchungen über sich ergehen lassen, dürfen nicht fettleibig und nicht älter als 54 Jahre sein sowie keine Fehlversuche mit gespendeten Eizellen hinter sich haben. Je nach Wunsch bekommt eine Frau einen oder auch zwei Embryos übertragen, was die Chance auf ein Kind, aber auch das Risiko für Zwillinge erhöht. Schlägt der erste Versuch fehl, folgt ein zweiter, mit Embryos aus einer anderen Charge. Falls auch der dritte Transfer innerhalb eines Jahres nicht erfolgreich war, gibt es das Geld zurück.

Das Davis Fertility Center arbeitet mit anonymen Eizell- und Spermaspenden. Aus den Keimzellen einer einzigen Spenderin und eines einzigen Spenders lassen sich Embryos für drei bis vier Paare gewinnen. Bezahlt werden die Spender aber nur einmal – so kann das Zentrum die Preise anderer Unfruchtbarkeitsbehandlungen unterbieten. Die Spender werden auf Gesundheitsrisiken wie Infektionen, Erb- oder Geisteskrankheiten untersucht. Das Davis Fertility Center wirbt außerdem damit, dass es keinerlei rechtliche Probleme mit der Elternschaft gebe. Die Keimzelllieferanten würden ihre Rechte im Moment der Spende abtreten, so dass Empfänger des Embryos keinen Vertrag über den Transfer abschließen müssten. Vor dem Gesetz seien sie die Eltern, da die Frau die Schwangerschaft austrage.

Mehr als 500.000 gefrorene Embryos lagern in den USA in Kliniken.

Das »California Conceptions Program« ist eine Variante der bereits seit zwei Jahrzehnten in den USA praktizierten Embryospende, die umgangssprachlich auch Embryoadoption genannt wird. Dabei überlässt ein Paar einem anderen überzählige Embryos aus einer Unfruchtbarkeitsbehandlung. Mit einer Adoption im eigentlichen Sinn habe der Vorgang nichts zu tun, betont die American Society for Reproductive Medicine (ASRM), die Fachgesellschaft der Fortpflanzungsmediziner: Die Embryospende sei schlicht eine weitere Methode der Unfruchtbarkeitsbehandlung. Kinder hätten Persönlichkeitsrechte; eine Adoption unterliege zahlreichen Auflagen, sei langwierig und teuer. Embryos hingegen gelten in den USA als Sache. Bei einer Spende sollten nach den Richtlinien der ASRM der Eigentumstransfer und die Elternrechte geregelt werden.

Mehr als 500.000 gefrorene Embryos lagern in den USA in Kliniken. Die meisten davon werden für diejenigen Paare aufbewahrt, die sie haben herstellen lassen, bisweilen mithilfe eines Eizell- oder Spermaspenders, stets aber für den eigenen Gebrauch. Den Eigentümern stehen verschiedene Optionen offen, wenn die gefrorenen Embryos nicht mehr benötigt werden, weil etwa ein Paar sich seinen Kinderwunsch erfüllt hat oder aus anderen Gründen das Interesse verliert: Die Embryos können zerstört werden, oder die Frau lässt sie sich einpflanzen zu einem Zeitpunkt, an dem sie nicht schwanger werden kann. Oder sie werden der medizinischen Forschung überlassen. Oder anderen Paaren mit Fruchtbarkeitsproblemen gespendet, die so eine Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes erleben können, ohne dass dieses mit ihnen genetisch verwandt wäre.

Das Davis Fertility Center hält keine Embryos vorrätig, sondern produziert auf Nachfrage.

Die Nachfrage nach solchen Embryos ist groß. Neben Fortpflanzungskliniken bieten mindestens acht Embryovermittlungsagenturen ihre Dienste an. Allerdings entschließen sich weniger als 1.000 Paare jährlich, ihre Embryos für Fortpflanzungszwecke zu spenden. Auch dann haben die Empfänger der Embryos noch keine Garantie auf Nachwuchs. Seit Mitte der 1990er Jahre wurden nur gut 3.500 Kinder in den USA nach einer Embryospende geboren. Die Erfolgsquoten sind schon deshalb nicht so gut, weil die Spenderpaare mit Fruchtbarkeitsproblemen belastet sind. Beim »California Conceptions Program« dürften die Chancen auf eine Schwangerschaft größer sein: Erstmals werden Embryos von gesunden Keimzellspendern gezielt für die Übertragung an Dritte hergestellt.

Das Davis Fertility Center bemüht sich zudem, Wünsche seiner Kunden zu berücksichtigen. Bei der Anmeldung müssen Interessenten einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie ihre Vorlieben bei ethnischer Zugehörigkeit oder »Rasse« angeben können. Damit der Embryo äußerlich gut zu den künftigen Eltern passt, werden körperliche Merkmale der Kunden abgefragt, wie Gewicht, Körpergröße, Augen-, Haut- oder Haarfarbe und Körperbau. Um Zusendung von Fotos wird ebenfalls gebeten. Das Davis Fertility Center hält keine Embryos vorrätig, sondern produziert auf Nachfrage. »Wir wollen die Embryos im Umlauf halten«, sagte der Fortpflanzungsspezialist Ernest Zeringue der Los Angeles Times, »es geht nicht darum, eine Bank aufzubauen.«

»Da ist es nicht mehr weit bis zur Kommerzialisierung von Kindern.«

Das Programm, das bislang rund 200 Frauen in Anspruch genommen haben sollen, ist selbst innerhalb der Branche umstritten. »Ich bin schockiert«, sagte der auf Fortpflanzungsfragen spezialisierte Anwalt Andrew Vorzimer der Los Angeles Times. Ihn alarmiere der Gedanke, dass eine Firma über die Embryos verfüge, und nicht die potentiellen Eltern. »Da ist es nicht mehr weit bis zur Kommerzialisierung von Kindern.« Der Psychiater und Bioethiker Robert Klitzman von der Columbia-Universität äußert im selben Zeitungsartikel die Befürchtung, das Programm laufe auf die Herstellung von Embryos für den Verkauf heraus. »Das ist ein bisschen gruselig«, sagte er, »da ist ein Ekelfaktor.« Andere Experten finden die Praxis in Ordnung, sofern die informierte Zustimmung aller Beteiligten gewährleistet ist, zum Beispiel der New Yorker Reproduktionsmediziner James Grifo: »Solange die Leute verstehen, worauf sie sich einlassen, gibt es meiner Meinung nach kein Problem.«

Der Jurist Glenn Cohen von der Harvard Law School wirft im New England Journal of Medicine (NEJM) heikle Fragen auf: Macht es einen Unterschied, ob man Embryos zu Fortpflanzungszwecken herstellt oder sich auf bereits existierende Embryos verlässt? Ist es problematischer, Embryos zu handeln als Eizellen und Spermata? Cohen sieht keine grundlegenden Unterschiede. Eugenische Tendenzen gebe es so oder so bei der Auswahl der Spender. Auch das Risiko eines ungewollten Inzests bestehe gleichermaßen, wenn sich Nachkommen derselben Embryocharge, desselben Spermasamples oder derselben Eizellernte ineinander verliebten. Im Übrigen sei es ethisch viel problematischer, Embryos für die Forschung herzustellen, was seit langem geschieht, als für die Behandlung von Unfruchtbarkeit.

Was geschieht mit den Embryos, wenn die produzierende Klinik Pleite geht?

Nur rechtlich gilt es laut Cohen offene Fragen: Was geschieht mit den Embryos, wenn die produzierende Klinik Pleite geht? Oder wenn ein Eizell- oder Spermaspender nach Einsetzen des Embryos Elternrechte reklamiert? Eine nationale Regelung zur Embryospende gibt es in den USA nicht. Nur in zwei Bundesstaaten, Louisiana und Florida, ist die Embryoproduktion auf Bestellung ausdrücklich verboten. Die Regelung in New York läuft faktisch auf ein Verbot hinaus: Dort dürfen Embryos nur für die eigenen Zwecke eines Paars hergestellt werden.

© Martina Keller, 2013
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