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ERIKA FEYERABEND, Journalistin und BioSkoplerin

Globale Körpermärkte

  • Eine Konferenz zur »Ethik in der Organtransplantation«

aus: Dr. med. Mabuse Nr. 142, (März/April 2003), Seiten 26+27

Im Dezember des gerade vergangenen Jahres trafen sich über 250 Transplantationschirurgen, ÄrztInnen, Medizinrechtler und Ethiker/innen auf Einladung der Deutschen Akademie für Transplantationsmedizin in München. Vier Tage referierten und diskutierten die mehrheitlich männliche Experten aus aller Welt – und zwar nicht in den sterilen Hallen des örtlichen Transplantationszentrums Großhadern, sondern im noblen Sheraton Hotel. Die Ortswahl kann als programmatisch verstanden werden. Denn die Konferenz widmete sich kaum medizinischen Problemen. Unter dem beruhigend klingenden Titel »Ethik in der Organtransplantation« wurde vor allem eines betrieben: Politik.

Die Konferenz war als eine Art Selbstversicherung angelegt, um verschiedenste Wachstumsprogramme für das eigene Berufsfeld vorzustellen und zu einem politischen Konsens zu schnüren. Perspektivisch aber wollen die Chirurgen und GeisteswissenschaftlerInnen weit mehr: Sie wollen Gesetze ändern, Parlamente beeinflussen und Gesundheitsverwaltungen auf ihre Belange einschwören.

All das ist nicht neu. Die politischen Rahmenbedingungen für medizinisches Handeln am Menschenkörper sind hart umkämpft, besonders im Feld der Organspende. Wie lange hatte es doch gedauert, bis das Transplantationsgesetz den deutschen Bundestag passieren konnte? Wieviel Lobbyarbeit und Sprachpolitik war nötig gewesen, um den »Hirntod« plausibel zu machen? Zwar konnten Chirurgen mit berufsständischen Richtlinien auch ohne Gesetze den Austausch von Organen über Jahrzehnte organisieren und kontinuierlich ausweiten. Doch von Rechtssicherheit versprachen sich die beteiligten Akteure mehr gesellschaftliche Anerkennung, mehr Spendebereitschaft und reibungslosere Abläufe im Inneren des Transplantationssystems. Mit anderen Worten: Wachstum und Lebenszeitzugewinne. Dafür wurden einige gesetzliche Handlungsschranken in Kauf genommen – in der Bundesrepublik wie im internationalen Raum. Relevante und – zumindest im Münchener Kongresszentrum – dominierende Mehrheiten im Transplantationssektor scheinen mit den herrschenden Reglements nicht mehr zufrieden zu sein. Die erhofften Steigerungsraten sind ausgeblieben. Nun sollen andere Wege beschritten werden.

  • Der »altruistische Fremde«

Das Schlüsselwort der Transplantationsmedizin heißt »Organmangel«. Immer mehr PatientInnen werden auf die Wartelisten gesetzt, doch die Zahl derer, die unter Erfüllung der jeweils geltenden Hirntod-Kriterien versterben stagniert. Angebot und Nachfrage klaffen weltweit weit auseinander. Bislang wurden vor allem zwei Rhetoriken bemüht, um den selbst provozierten Mangel zu bewältigen. Zum einen eine »Betroffenheits-Entgrenzung«, die Organtransplantation zu einem Thema für jeden macht, denn man könnte schon morgen selbst organbedürftig werden. Zum anderen der »Tod auf der Warteliste«: Menschen sterben nicht mehr an ihren Krankheiten, sondern an der mangelnden Spendebereitschaft einer Bevölkerung. Ihr Tod gilt als gesellschaftlich verursacht und wird jenen angelastet, die Organabgaben verweigern oder keinen Organspendeausweis ausfüllen.

Eine neue Zielgruppe rückt zunehmend ins Visier der Transplantationsaufklärer: die gesunden Lebenden. Sie sollen vor allem Nieren, aber auch Leberlappen, Teile des Dünndarms oder der Bauchspeicheldrüse für schwer Kranke hergeben. Hier liegen die wahren Wachstumsperspektiven. In den USA und einigen nordeuropäischen Staaten stammt fast jedes zweite verpflanzte Körperteil von gesunden »SpenderInnen«. In Deutschland liegt dieser Anteil bei rund 17 Prozent. Tendenz: steigend. Das deutsche Transplantationsgesetz fordert verwandtschaftliche oder enge persönliche Bindungen zwischen den Beteiligten. Die potentiellen EmpfängerInnen müssen dialysepflichtig sein und bereits auf ein Organ von »Hirntoten« warten. In der Praxis der eigens eingerichteten Gutachter-Kommissionen wird eher halbherzig geprüft, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Ähnliche Regeln gelten in vielen westlichen Industrienationen.

Doch auch diese vagen Einschränkungen sollen fallen. Die Figur des »altruistischen Fremden«, der einem anonymen Kollektiv ein Körperteil vermacht, betrat in München die Kongressbühne. Erste Pilotprojekte in US-amerikanischen Zentren sind bereits auf den Weg gebracht. »Seit kurzem und wegen des enormen Bedarfs an Organen«, berichtete der Nephrologe Dr. Aaron Spital aus Rochester, »akzeptieren einige Zentren die Nieren von altruistischen, lebenden Fremden.” Im Jahr 2000 sind in den USA 71 Transplantationen mit diesem Spenderkreis durchgeführt worden. »Befürchtungen zur Kommerzialisierung sind nicht ausreichend, um diese Praxis zu verbieten. Sie ist ethisch akzeptabel, sozial wertvoll und medizinisch sinnvoll«, resümiert Dr. Spital unter dem Beifall vieler. An der Universität von Minnesota wartet das Krankenhauspersonal nicht auf spendewillige Fremde. Dr. Arthur Matas präsentierte ein neues klinisches Programm. In Medien und Öffentlichkeit wird das Projekt der »nicht-gerichteten Spende« beworben und Informationspakete frei Haus geliefert. Mit Erfolg: Nach zahllosen Telefongesprächen, Aufklärungsveranstaltungen, medizinischen wie psychologischen Tests, konnten 15 zusätzliche NierenspenderInnen gefunden werden. Das Ideal der freien Willensentscheidung, für alle Fälle schriftlich dokumentiert, kombiniert mit dem sozial konstruierten »Wunsch«, Körperteile auch an unbekannte WartelistenpatientInnen abzugeben, findet auch bei deutschen Transplantationexperten Zuspruch. Der Münchener Jurist Thomas Gutmann, Mitorganisator des Kongresses, hat gemeinsam mit dem Strafrechtler Ulrich Schroth im vergangenen Jahr ein Buch veröffentlicht, das an politischer Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Geht es nach den Autoren, dann sollen auch hierzulande die Verhältnisse bald so sein: Jede/r soll jede/m spenden dürfen. (Thomas Gutmann/Ulrich Schroth, Organlebendspende in Europa, Springer Verlag 2002) Es gab auch Widerspruch und Bedenken. Der brasilianische Nierenspezialisten Dr. Abbud-Filho wollte solche Praktiken auf Länder beschränkt wissen, in denen die ökonomischen und sozialen Verhältnisse einigermaßen ausgeglichen sind. In der Debatte um eine Kongressresolution zur vorbehaltlosen Förderung »nicht-gerichteter Lebendspenden« musste Abbud-Filho resigniert konstatieren: »Ich bin hier wohl in der Minderheit«.

  • Das »belohnte Geschenk«

Die Legitimität der Organbeschaffung basiert im wesentlich auf dem Glaubenssatz, dass es nicht um Geld, sondern um »Leben« gehe. Pharmaunternehmen, Transplantationszentren, Chefärzte, die Privatpatienten operieren, sie dürfen exklusiv profitieren. Andererseits könnte das Organaufkommen erheblich gesteigert werden, wenn Geld und andere finanzielle Vorteile angeboten werden könnten. Die Organisatoren des Münchener Kongressen haben sich vorgenommen auch diese Grenze zu durchbrechen und den »Gabentausch” in einen »Warentausch” zu überführen. Entsprechend einseitig war die Auswahl der ReferentInnen. Dr. Gilbert Thiel von der Universität Basel bemühte die kulturellen Differenzen im Weltmaßstab: »belohntes Schenken« werde im Nahen Osten wie in asiatischen Ländern ohnehin als »normal« empfunden. In den europäischen Ländern seien »finanzielle Anreize«, die klar und transparent seien müßten, das Gebot der Stunde. Was ist darunter zu verstehen? Bei den eher gemäßigten Vertretern der Zunft konkretisiert man den überaus dehnungsfähigen Begriff des »Anreizes« als Lebens- oder Unfallversicherung für den gesunden »Spender«. Prof. Christoph Broelsch vom Transplantationszentrum in Essen plädiert für Steuerfreibeträge bei Vorlage eines Spendeausweises, einen Spenderbonus bei der Krankenkasse oder einen Freibetrag nach Muster der gemeinnützigen Spende. Wirklich eindrucksvoll war das Projekt »Organspende – eine Verpflichtung für’s Leben«, vorgestellt von Dr. Luis Tomatis aus Michigan. »Dem wahren Spender soll der Lohn offeriert werden, wenn er noch lebt.« Wer seine Spendebereitschaft dokumentiert soll eine prämienfreie Lebensversicherungspolice und Steuervorteile bekommen. Mit einem bevorteilenden Vertrag seiner Wahl könne der Spendewillige darüber hinaus in der Gesellschaft agieren – bei Kirchen, Clubs, Supermärkten, Arbeitsämtern oder dem Militär.

Die Lage ist ernst. Es gibt sie noch, die Stimmen innerhalb der Transplantationsgemeinde, die »finanziellen Anreizmodellen« oder direkten Geldtransfers gegen Körperteile skeptisch gegenüberstehen. Doch die Zeiten des puren Sagbarmachens und der offenen Fragen sind international schon vorbei. Im Staat Pennsylvania bekommen die Angehörigen $300 für die Beerdigungskosten, sollten sie der Organentnahme zugestimmt haben. Die American Medical Association hat kürzlich entschieden, die Spendebereitschaft im Falle des Hirntodes finanziell zu belohnen. Die vorgeschlagenen Preise liegen zwischen $ 300 – 1000. (BMJ vol 324 29 June 2002: 1541) Auch Überlegungen, gesunde Menschen mit finanziellen Mitteln zu überzeugen ein Organ herzugeben, sind durchaus konkret: Arthur Matas stellte im konfortablen Konferenzambiente sein Projekt »Bezahlung für Lebensspender: Welcher Preis ist kosteneffektiv?« vor. Unter Berücksichtigung verschiedenster Faktoren wie prognostiziertes Patientenüberleben, Dialysekosten, Tod nach Organverlust, Kosten für Transplantat, »Spender« oder prognostizierte Rückkehr zu Dialyse würden nach seinen Berechnungen $ 102.000 gewonnen. Rechne man einen Lebensqualitätsfaktor (QUALYs) von 2.8 hinzu, so steige der Geldzugewinn auf $ 336.000. Ein »Käuferprogramm« mit $ 100.000 pro Transplantation könne durchaus effizient sein. Um ganz sicher zu gehen sollte eine solide Kostenprognose, gerechnet über 20 Jahre für 24.333 Dialysepatienten auf den Wartelisten erstellt werden.

Auch Michael Friedlaender nähert sich der politischen Umsetzung eines regulierten Organmarktes. Der Nierenspezialist aus Jerusalem hat einen Gesetzesvorschlag formuliert, der ein bezahltes Lebenspende-Nierenprogramm juristisch absichern soll. Das nationale Transplantationszentrum soll alle Kosten für die medizinische Betreuung der OrganverkäuferIn übernehmen. Es bestimmt einen Festpreis für die Nierenabgabe, die vor der Entlassung aus dem Krankenhaus ausgezahlt wird und steuerfrei ist. Der Kauf von Organen im Ausland ist in Israel mittlerweile üblich. Michael Friedlaender berichtete in München von seinen Erfahrungen. Über 400 PatientInen werden von ihm versorgt, die ihre Nieren im Ausland von bezahlten NierenverkäuferInnen erwarben. Arabische PatientInnen kauften im Irak und Indien, israelische PatientInnen in aller Welt. Die Devise von Friedlaender und auch von den israelischen Krankenkassen: Warum also nicht legal machen, was ohnehin passiert? Dass die Chancen für eine Legalisierung nicht schlecht stehen, zeigt das jüngste Urteil des High Court of Justice in Israel. Es hob das Verbot auf, für unfruchtbar erklärte Frauen bezahlte Eizellen aus dem Ausland zu importieren.

  • Iran – ein Modell für die Welt?

Die Dramaturgie des Tagungsprogramm demonstrierte den eindeutigen Willen zum Wachstum – um jeden Preis. Dabei hielt sich der einladende Prof. Walter Land vom Klinikum in Großhadern auffallend zurück. Er ließ andere sprechen. Prof. Iradj Fazel beispielsweise, derzeit Präsident der Akademie der medizinischen Wissenschaften im Iran und führender Transplantationschirurg in Teheran. Iran war lange Zeit ein Stiefkind der Transplantationsentwicklung. Die meisten Organe, berichtete Iradj Fazel, seien früher von Eurotransplant in Leiden importiert worden, ca. 400 Patienten ließen sich in Zentren der USA und in England Nieren verpflanzen. Mit der Revolution 1979 und in Folge verschiedener Embargos waren weder Transplantationen möglich, noch ausreichende Dialysekapazitäten vorhanden. Ganze PatientInnengruppen verstarben. Iradj Fazel startete dann in den 80er Jahren ein Lebenspendeprogramm, in dem mittlerweile 13.000 Transplantationen durchgeführt worden sind. Zunächst wurden Nieren unter Verwandten verpflanzt, dann auch unter »emotional verbundenen SpenderInnen«, dann auch unter einander Unbekannten.

Heute kauft der Staat die Nieren seiner BürgerInnen. Das iranische Modell ist ein legaler, regulierter Markt. Der Handel wird von zwei Organisationen kontrolliert, die von der Regierung unterstützt werden. Die Assoziation zur Unterstützung von Nierenpatienten (CASPK) bringt EmpfängerIn und VerkäuferIn in Kontakt und organisiert die medizinischen Untersuchungen. Die Wohltätigkeitsvereinigung für besondere Krankheiten (CFSD) ist nach erfolgter Transplantation per Gesetz verpflichtet den OrgangeberInnen einen Betrag von derzeit rund $ 2000 zu zahlen. Das durchschnittliche Jahresgehalt liegt im Iran bei $ 2600. »Da gibt es keine Frage, das größte Motiv der nicht verwandten Spender ist ein finanzielles. Das ist offensichtlich. Doch es gibt auch andere Wege an Geld zu kommen. Wenn jemand diesen schmerzhaften Weg akzeptiert, dann ist ein Teil seiner Entscheidung vielleicht doch noch, jemandem zu helfen« beruhigt Prof. Fazel mögliche Zweifler. Außerdem gäbe es keine Wartelisten und keine Mittelsmänner. Die staatlich gekauften Organe gingen an alle, ob arm oder reich. VerkäuferInnen und EmpfängerInnen treffen sich im Iran schon vor der Operation. Was sich dort noch an »Geschenken« austauschen lässt, das entzieht sich der Kenntnis des Referenten.

  • Bioethische Argumentationshilfen

Der globalisierte Organmarkt ist Realität. Er macht besonders die Menschen in Osteuropa und in den Staaten des Südens zur Überlebensressource – für diejenigen, die es sich leisten können. Die Deutsche Akademie für Transplantationsmedizin will dieser Praxis anscheinend zu gesellschaftlicher Normalität verhelfen und lud die schillernsten bioethischen VerfechterInnen eines regulierten Organmarktes nach München ein: Prof. Janet Radcliffe-Richards vom University College London und Prof. Abdallah Daar von der University of Toronto. Souverän präsentierte Janet Radcliffe ihr Plädoyer und disqualifizierte alle, die noch Zweifel hegen. Weltwirtschaftsordnung und das vorherrschende Verbot des Organhandels schaffe illegale Schwarzmärkte. Wer hier keine Alternativen zu bieten habe, werde mitverantwortlich – für den Tod der Armen wie der Organbedürftigen: »Wir, die Reichen und Gesunden möchten unsere unangenehmen Gefühle los werden, indem wir über die Leute, die aufgrund des Organmangels sterben und jene die aufgrund des Geldmangels sterben, einfach hinwegsehen.«

Auch Abdallah Daar orientierte sich ganz am Status quo. Der illegale Handel ist ein weltweites Phänomen. »Wir können ihn nicht stoppen, indem wir sagen: Das ist falsch.« Jedes Land müsse seine »eigenen Lösungen« finden. Überall werde aber zunehmend offen gefragt, was denn falsch daran sei für Nieren zu bezahlen. »Vielleicht ist das in Deutschland nicht nötig und man kann die Lebendspende ausweiten auf nicht-verwandte Spender, man kann altruistische Fremde ermutigen zu spenden. Das ist nicht erlaubt, aber vielleicht lässt sich das Gesetz ändern. Auch sind die Deutschen recht vertraut mit dem Konzept des Schmerzensgeldes. Das ist keine Bezahlung, sondern Entschädigung innerhalb der geltenden Richtlinien.«

Die verabschiedeten Kongressresolutionen folgen ganz den bioethischen Vorgaben: »Entschädigung für Schmerzen und Unanehmlichkeiten des Lebendspenders sind ethisch akzeptabel.« »Die gut etablierte Position der Transplantationsgesellschaften gegen Kommerz hat das rapide Wachstum solcher Transplantationen weltweit nicht stoppen können. Individuelle Länder werden Alternativen studieren müssen, …die die Zahl der Transplantate erhöhen (…) und unregulierten Kommerz reduzieren kann. (Resolution 9 und 10 des Kongresses)«

  • Die deutschen Verhältnisse

Der Eindruck, dass die deutschen Diskursteilnehmer zurückhaltender sind, ist unvollständig. Prof. Christoph Broelsch vom Transplantationszentrum Essen konnte weitgehend ungestört seine Ausführungen zur Praxis der Leber-Lebendspende präsentieren. Eine Frage aus dem Publikum, was er zu den laut gewordenen Vorwürfen sage, mindestens einen, möglicherweise auch mehrere israelische Patienten transplantiert zu haben, die ihre Organe von osteuropäischen Menschen kauften, wurde mit allgemeinem Schweigen beantwortet. Die Vorwürfe gegen Broelsch sind nicht aus der Luft gegriffen. Vor einem Jahr stellte sich ein israelischer Patient mit seinem vermeintlichen Vetter aus Moldawien bei der hauseigenen Lebendspende-Kommission vor. Die hatte Zweifel an den verwandtschaftlichen Beziehungen und lehnte die Transplantation ab. Die eigentlich zuständige Lebenspende-Kommission der Ärztekammer Nordrhein will den Fall nicht mehr selbst geprüft haben und lehnte die Operation ebenfalls ab. Die Transplantation fand dennoch statt – am Klinikum in Jena. Einer der Operateure war Christoph Broelsch. Nun ermittelt die Essener Staatsanwaltschaft.

Weitere Verdachtsmomente förderte Die Zeit vor ein paar Wochen zutage. »Nach der Statistik des israelischen Krankenkassen-Managers Rosenfeld wurden in den vergangenen zwei Jahren sieben gekaufte Nieren in Deutschland transplantiert, alle in Essen. Die Patienten hätten gegenüber einem Notar oder Anwalt erklärt, dass sie an die 145.000 Dollar an ihren Vermittler gezahlt hätten, so Rosenfeld.« (Martina Keller, Operation Niere in: DIE ZEIT 5.12.2002) Diese erdrückenden Verdachtsmomente werfen viele Fragen auf: Zum Beispiel an die Lebendspende-Kommission der Ärztekammer Nordrhein, die dafür zuständig ist, psychischen Druck und finanzielle Transaktionen bei gesunden »SpenderInnen« auszuschließen. Zum Beispiel an die Lebendspende-Kommission des Uniklinikums Essen, die ihr Aufgabengebiet ähnlich definiert. Zum Beispiel an das Gesundheitsministerium, das ein Gesetz über die Kommissionspraxis auf den Weg brachte. Zum Beispiel an die Bundesärztekammer, deren Richtlinien solche Praktiken ausschließen sollen. Im Arbeitskreis »Lebendspende« der Bundesärztekammer sitzt im übrigen und immer noch Christoph Broelsch. Der geht bis auf weiteres seiner Profession nach – und schweigt.

© Erika Feyerabend, 2003
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